»V 2«
Fernrakete A 4
Am 5. Juli 1927 wurde der "Verein für Raumschiffart" beiBerlin gegründet. Hier wurde mit Unterstützung des Waffen-Amtes die Erforschung desRaketenbaus betrieben. Den Anfang machte das Aggregat 1, eine 150 kg schwere Rakete. Diesewar 1.400 mm lang und hatte 300 mm Durchmesser. Angetrieben wurde die Rakete mit einemTreibstoff aus Alkohol und flüssiger Luft und gesteuert durch einenStabilisierungskreisel in der Spitze. Beim Start versagte die Rakete aufgrund eines falschkonzipierten Antriebs.
Der Nachfolger, die A 2, hatte den Kreisel im Mittelteil der Rakete.Anfang Dezember 1934 wurden zwei Versuchsmuster von der Insel Borkum aus gestartet. Sieerreichten eine Höhe von 2.200 m. Nach diesen Versuchen sollte nun eine völlig neueVersuchsanstalt nur für die Raketenforschung gebaut werden. So entstand auf der InselUsedom die Raketen-Versuchsanstalt Peenemünde. Hier wurde dann die A 3 entwickelt. DieRakete war 6.743 mm lang, hatte einen Durchmesser von 673 mm und ein Gewicht von 750 kg.Laut Planung sollte das Triebwerk für 41 Sekunden 1.500 kg Schub bringen. Die gebautenPrototypen waren aber alles Versager. Eine entscheidende Neuerung bei dieser Variante wardas Konzept der Düsen-Leitschaufeln, welche die Rakete auch bei niedrigenFluggeschwindigkeiten stabilisierte.
Man beschloß nun mit dem gleichen Triebwerk eine neue Rakete, die A 5,zu bauen. Diese war von vorne herein als Erprobungsmuster für die A 4 gedacht. Es wurdeeine völlig neue Steuerungseinheit entwickelt. Der Durchmesser stieg auf 700 mm, dieLänge auf 5.825 mm. Nach einem Probelauf der Rakete vor Adolf Hitler am 23. März 1939wurde von diesem die Entwicklung einer truppentauglichen Fernrakete gefordert. Insgesamtwurde diese Erprobungsrakete ein großer Erfolg. Bei mehreren Starts wurden Höhen von biszu 11.000 m erreicht. Es wurden zudem Tests im Windkanal durchgeführt, simulierteStarttest von einer He 111 und ein Fallschirm-Rückhol-System.
Am 21. März 1940 absolvierte das erste Triebwerk der neuen A 4 denersten Probelauf, am 25. Februar 1942 sollte der erste Start erfolgen. Die Raketeexplodierte aber auf dem Prüfstand. Am 29. April 1942 erfolgte der zweite Start. Wegeneines Triebwerkfehlers betrug die Schußweite aber nur 1,3 km. Die dritte Rakete hatte am16. August eine viel zu steile Flugkurve, sie explodierte in der Luft. Aber der vierteStart am 3. Oktober 1942 brachte den Erfolg: In 296 Sekunden legte die Rakete eine Streckevon 190 km zurück, die Abweichung vom Ziel betrug 18 km. Bis zum 9. Juli 1943 erfolgtenweitere 31 Starts, dann ging die A 4 in die Serienfertigung.
Die Fertigung der Raketen sollte in den Zeppelinwerken inFriedrichshafen, in den Rax-Werken und in Peenemünde selbst erfolgen. Am 21. Juni 1943wurden die Zeppelinwerke und am 13. August 1943 die Rax-Werke durch Bomben vollständigzerstört. Peenemünde wurde am 18. August 1943 von der RAF zerstört. Daraufhin wurdebeschlossen, die Produktion in unterirdische Werke zu verlagern. Im Gips-Bergwerk unterdem Kohnstein bei Nordhausen im Harz (Mittelwerk) fand man eine entsprechendeÖrtlichkeit. Beim Ausbau der Stollen wurde massiv auf KZ-Häftlinge zurückgegriffen.Etwa 60.000 von ihnen mußten am Stollen mitarbeiten, etwa ein Drittel von ihnen starb anHunger, Kälte und Krankheit. Der Ausbau des Bergwerkes kostete 17,8 Millionen Reichsmark,die Produktion lief im Oktober 1943 an. Im Januar 1944 konnten die ersten Raketenabgenommen wurden. Diese waren aber so schlecht gefertigt, daß sie fast alle unbrauchbarwaren. Der Sprengkopf wurde separat von den Voss-Werken in Sarstedt gefertigt. DerDurchschnittspreis einer Rakete betrug damals ohne Sprengkopf 119.600 Reichsmark.
Die endgültige Version der A 4 war 14.026 mm lang und hatte einenDurchmesser von 1.651 mm. Das Heck trug vier Leitwerksflossen mit einer Spannweite von3.564 mm. Die Leitwerksflossen waren speziell für den Transport mit der Eisenbahn denAbmessungen der Eisenbahntunnels angepaßt. Die Rakete wog unbetankt 4.075 kg. Dabeienthielt der 975 kg schwere und 2.010 mm lange Kopf 738 kg Sprengstoff. Betankt wurde dieRakete mit einer 3.710 kg Mischung aus 75 % Methylalkohol und Wasser, B-Stoff genannt, und4.900 kg flüssigen Sauerstoff, A-Stoff genannt. Der Sauerstoff hatte eine Temperatur von-183°C und war nur mit Spezialbekleidung zu betanken. Über 2.100 Düsen wurden proSekunde 58 kg Alkohol und 72 kg Sauerstoff in die Brennkammer gedrückt, wo eineVerbrennungstemperatur von 2.500°C erreicht wurde. Die Rakete hatte einen Anfangsschubvon 3 t. Nach drei Sekunden steigerte sich der Schub auf 25 t. Nach 63 Sekungen wurde dieHöchstgeschwindigkeit von 1.500 m/s erreicht, nach einer Gesamtflugzeit von 320 Sekundenschlug die Rakete im 300 km entfernten Ziel ein. Ende 1944 gelang es, die Reichweite auf340 kg zu steigern.
Auf der Basis der A 4 gab es mehrere Projekte, so z.B. eine zweistufigeVariante, die 5.500 km zurücklegen sollte, oder eine bemannte Kamikaze-Version. Außerdemgab es Pläne, die A 4 aus einem getauchten Behälter abzuschießen, der hinter einemU-Boot vom Typ IX hergeschleppt und dann in die Horizontale gedreht werden sollte.
Nachdem die V 2 nun erfolgreich eingesetzt werden konnte, suchte mannach der Möglichkeit, die Reichweite kurzfristig zu erhöhen. Dabei wurde auch das Prinzip von Prof. Sänger, Mitglied der DeutschenForschungsgesellschaft für Segelflug, untersucht. Mit der Hilfe von zwei Tragflächensollte die Rakete bei der Rückkehr in dichtere Luftschichten in einen Segelflugübergehen. Das Leergewicht der Rakete erhöhte sich um 1.350 kg. Am 24. Oktober 1944legte man die Fertigung von fünf Prototypen fest. Am 27. Dezember 1944 erfolgte der ersteVersuchsstart des Prototypen. Der Start war jedoch ein Fehlschlag, ebenso wie der zweiteVersuch am 8. Januar 1945. Erst der dritte Start am 24. Januar 1945 wurde zum Erfolg, dieerreichte Flughöhe betrug 80 km. Die Reichweite von 750 km konnte jedoch wegen einesBruchs eines Flügelholms nicht erreicht werden. Aufgrund des nahenden Kriegsendeswurde auch dieses Vorhaben nicht mehr weitergeführt.
Als Nachfolger der V 1 wurde dieVergeltungswaffe V 2 ab der Nacht vom 7. zum 8. September 1944 effektiv im Kriegeingesetzt. Anfangs lag die Produktionszahl dieser Rakete bei 500 Stück im Monat. Geplantwar eine Erhöhung des Ausstoßes auf 900 Stück im Monat. Bei diesen Stückzahlen mußman jedoch bedenken, daß ca. 6 % der Raketen unmittelbar nach dem Start explodiert sindund weitere 60 % aus technischen Mängeln zur Nachbesserung zurückgeschickt wurdenmußten. Nachdem die festen Raketenabschußstützpunkte der V 2 von alliierten Fliegernangegriffen worden waren und auch nur schwer und vor allem zu langsam repariert werdenkonnten, stieg man auf den Abschuß von mobilen Basen aus um. Es wurden zwei mobileAbschußgruppen aufgestellt: Die Nordgruppe für Angriffe gegen England und die Südgruppefür Angriffe gegen Belgien und Frankreich. Ein Zug bestand aus 25 Spezialfahrzeugen, z.B.aus den sog. "Meillerwagen", den Spezialanhängern zum Transport und Start der A4, einer mobilen Anlage zur Herstellung des als Treibstoff benötigten flüssigenSauerstoffs, Kettenfahrzeuge zum Transport der Treibstofftanks und verschiedener Typengepanzerter Kommandofahrzeuge (das Sd.Kfz. 7/3 und das Sd.Kfz. 251), die beim Abfeuern der Rakete ziemlich dicht ander Abschußstelle standen. Um vor Luftangriffen geschützt zu sein, verlegten dieseEinheiten nur nachts, die Starts erfolgten tagsüber aus wind- und fliegergeschütztenWaldgebieten. Bis zum 27. März 1945 wurde die Rakete fast ununterbrochen abgeschossen.Insgesamt wurden 5.500 Stück A 4 abgefeuert, davon trafen etwa 2.000 London und 1.600Antwerpen. Weitere Ziele waren Brüssel, Lüttisch, Paris und die Brücke von Remagen, aufdie 11 Raketen abgefeuert wurden.
Der Einsatz der V 2 erfolgte von folgendenEinheiten aus:
Zunächst war hier unter dem Oberbefehl des LXV. AK z.b.V. derGeneralmajor Dornberger im Auftrag des Heereswaffenamtes vorgesehen, ohne daß noch eineeigentliche schießende Einheit geplant war. Nachdem bis zum Invasionsbeginn keine V 2 zumEinsatz gebracht werden konnte, riß nach dem Attentat auf Hitler sich die SS die V 2unter den Nagel. SS-Gruppenführer Kammler wurde zuHimmlers Sonderbevollmächtigten für den V 2-Einsatz, beim LXV. AK verblieben nurÜberwachungsfunktionen.
Für den Abschuß der V 2 bildete Kammlerdann aus Heeres- und Waffen-SS-Verbänden eine Division z.V. (zur Vergeltung). DieseDivision hatte neben dem Stab eine Gruppe Nord und eine Gruppe Süd, dazu starkeNachrichten- und Vermessungskräfte. Bis November 1944 hatte sie eine Stärke von etwa8.700 Mann und um die 1.800 Fahrzeuge, im Januar 1945 waren es 11.200 Mann. DieserDivisionsstab wurde aber anscheinend weder beim Heer noch bei der Waffen-SS als Divisiongeführt, er bewegt sich wahrscheinlich in der Grauzone so vieler anderer obskurerSS-Einheiten.
Als dieser Division z.V. unterstellte Einheiten werden genannt:
bei der Gruppe Nord:
-Art.Abt. (mot.) 485
-SS-Werfer-Batterie 500
bei der Gruppe Süd:
-Art.Abt. (mot.) 836
-Lehr- und Versuchs-Batterie 444
Außerdem gab es noch eine Artillerie-Abteilung 953, eine Zuordnungdieser Einheit ist allerdings nicht möglich.
Die Gerätebeschreibung der V 2, herausgegeben vom OKW.